24.03.2014

ver.di PUBLIK-Reporterin auf Zustelltour

Eine Reporterin von ver.di PUBLIK hat einen Zusteller in Bielefeld begleitet. Wie sich die Probleme ähneln.... -> Bericht und Link https://medien-kunst-industrie-bayern.verdi.de/zustellerl.

Wenn die Abrechnungen zurück nach München kommen...

Zum Thema Abrechnung hat uns folgender Beitrag erreicht: "Ich binde es gut, wenn die Abrechnung wieder nach München kommt. Dann wird sich auch klären, wo die vielen Fehler passiert sind. Ob in Stuttgart oder schon in den Münchner Geschäftsführungen. Die schieben ja bisher alles auf Stuttgart. Ob das stimmt, kann aber kein Zusteller prüfen, weil für uns ja ein striktes Kontaktverbot mit Stuttgart besteht. Jüngstes Beispiel, das mir bekannt wurde: Eine Kollegin hat einen Arbeitsunfall erlitten. Auf heftiges Drängen der Geschäftsführung tritt sie vorzeitig wieder die Arbeit an, gegen ausdrücklichen ärztlichen Rat. Als "Dank" erhält die Kollegin nur gut die Hälfte ihres Lohns angewiesen, wegen Erkrankung. Wo die Unfallmeldung der Berufsgenossenschaft abgeblieben ist, bleibt im Dunkeln. Mit Stuttgart besteht ja Kontaktverbot und die Geschäftsführung zeigt bei der Aufklärung und raschen Nachzahlung des Differenzbetrages lange nicht so viel Engagement wie beim Antelefonieren während der Arbeitsunfähigkeit." 

Das Sterben der Verteilstellen

Die Umorganisation der Auslieferung geht weiter. Jüngst wurde u.a. bei der ZV Kirchheim Verteilstellen geschlossen und auf Direktablagen umgestellt.  Gelegentlich unter einem Vordach, meist aber unter freiem Himmel. Die "wohnortnahe Ablage" wird als Erleichterung für die Zusteller/innen bejubelt. In München muss ja auch funktionieren, was woanders auch schon geht. Wobei Planungs- und Schreibtischhelden dabei gerne Äpfel mit Birnen vergleichen. Das fängt bei der Vielzahl der zugestellten Objekte an (alleine vier Münchner Zeitungen; die geBILDete fünfte rechnen wir mal nicht mit, weil kaum Abos) und hört beim Münchner Klima auf.

Schön ist das Konzept vorallem für den Verlag. Der spart ordentlich an Mietkosten und Personal. Für den Zusteller schaut das aber spätestens dann ganz anders aus, wenn Dauerregen vom Himmel prasselt oder Eis und Schnee die Pakete zuwehen. Oder wenn mal wieder Zeitungen fehlen, weil die Pakete bei größeren Touren oft zwangsläufig offen am Platz liegen bleiben müssen und sich mancher Nachtschwärmere seine Morgenlektüre gleich mal mitnimmt. Ein besonderes Erlebnis sind auch Sortierarbeiten in der Nacht und unter freiem Himmel mit der Taschenlampe in der Hand.

"Leicht verdientes Geld"?? Sicher nicht, schon gar nicht, wenn man nächtens unter dem weiten Himmelszelt auch noch ewig auf den Transporter warten muss... Da aber wohl künftig davon auszugehen ist, dass jede/r Zusteller/in - natürlich auf Privatkosten - sein eigens iPhone parat hält, wird es dafür auch bald die Logistik-App geben. Mit dem Liveticker für Änderungsmeldungen und dem Abruf des aktuellen Transporter-Standortes samt voraussichtlicher Ankunftszeit an der Ablagestelle.  Ach, was werden das für herrliche Zeiten für Zusteller/innen!

Unsägliche Wichteleien

Haben wir bei unseren Auslassungen über die Wichtelei ein unsägliches Gequatsche gemacht oder uns gar noch mit fremden Federn geschmückt? Das jedenfalls haben wir einer Lesermeinung entnommen, die uns jedoch nicht vollständig erreicht hat. Nun, über sprachliche und inhaltliche Qualität lässt sich immer streiten. Dass wir aber uns aber quasi "urheberrechtlich" vergrifffen hätten, können wir nicht nachvollziehen. Dennoch haben wir den Beitrag vom Netz genommen. Friede den Hütten.

Der Beitrag entstand aufgrund eines Leserkommentars, der sich damit befasste, wie sich obere Hierarchie-Ebenen in der Zeitungszustellung (zum Beispiel auf Verlagsebene) darüber amüsieren, wie weiter unten getreten und geschlagen wird. Während also "Unten" die Kämpfe untereinander ausgetragen werden, können die Herrschenden entspannt in ihren Palästen sitzen.

Krieg den Hütten, Friede den Palästen - wie das Spiel funktioniert, hat schon Niccolo Machiavelli vor fast 500 Jahren beschrieben. Es gehtnur  um Macht, nicht um Verantwortung oder gar Moral. Es funktioniert im Betrieb genauso wie in der großen Politik. Dort schmeisst man einfach ein paar Reizworte in die "gesellschaftliche Diskussion" - und schon verkämpft sich das Wählervolk, gerne auch einmal von Medien befeuert, in Nebenkriegsschauplätzen, während die Mächtigen in Ruhe ihre Macht ausbauen können.

Zur Machtsicherung bedarf es williger Helfer. Und wie bekommt man die? Gib jemanden ein bisschen Macht und das Gefühl von Bedeutung. Und sei es nur ein blechernes Sternchen am Kragenspiegel. Macht macht süchtig. (Gottlob nicht immer, aber oft).

Wichtig bei dem Spiel ist: es geht nicht um wirkliche Problemlösungen. Es geht nur darum, die "Kontrolle" über das Fußvolk zu behalten. Ob mit raunzigen Feldwebel-Gehabe,  sinnentleerten Arbeitsanweisungen, dem Streuen von Gerüchten oder leeren Versprechungen. Hauptsache das Fußvolk ist beschäftigt und kommt nicht auf dumme Ideen.

Man stelle sich vor, jede/r Zusteller/in würde einmal ganz nüchtern das Verhältnis zwischen Arbeit und Lohn rechnen. Oder beim Mindestlohn prüfen, ob tatsächlich die effektive Arbeitszeit bezahlt wird. Am Ende würde beim Fußvolk womöglich noch die Erkenntnis reifen: Nur gemeinsam sind wir stark.

Das wäre allerdings wirklich erschreckend. Nicht nur für die Mächtigen. Denn es käme die Ausrede abhanden "da kann man ja nichts machen". 

18.03.2014

Wenn Schwaben sparen...

Wie verschiedentlich von Offiziellen oder Halboffiziellen in den ZVs zu hören ist, soll die Lohnabrechnung für die Zeitungszusteller wieder nach München zurückverlagert werden. Das wäre einmal eine gute Nachricht! Der Lohnabrechnung in München hatte der schwäbische Sparwahn das Licht ausgeblasen. Gegen den Protest der Betroffenen und des Verlagsbetriebsrats wurde die (komplizierte) Abrechnung nach Stuttgart verlagert. Folge war, wie allenthalben zu hören ist, ein absolutes Abrechnungschaos.

Die Schuld daran haben freilich nicht die Kolleginnen und Kollegen in Stuttgart, sondern die sparwahnsinnigen Verlagsmächtigen. Mit souveränem Desinteresse an den tatsächlichen Abläufen haben sie mal wieder geglaubt, dass man "das bisschen Arbeit" ruckzuck auf andere Schultern verlagern kann. Und was interessiert es schon, dass diese Schultern selbst genug zu tun haben und mit dem Münchner Abrechnungssystem überhaupt nicht vertraut sind. Wir freuen uns, wenn sich die Sache bewahrheitet und die Abrechnung wieder nach München kommt. Es kann nur besser werden.

Wieder einmal bleibt festzustellen: Was mächtig Geld sparen sollte, hat mächtig Geld gekostet - und ist auf dem Rücken langjähriger Beschäftigter ausgetragen worden. Denn die von der Verlagerung betroffenen Beschäftigten in München wurden eiskalt vor die Tür gesetzt. Zwar mit Sozialplan, denn im Gegensatz zu den meisten ZVen hat der Verlag natürlich einen Betriebsrat. Und einen aktiven dazu. Aber was kann ein Sozialplan schon großartig helfen, wenn man einfach abserviert wird und die beruflichen Aussichten alles andere als rosig sind.

Viel Geld gekostet hat auch die mutwillige Schließung samt Kündigung der meist langjährigen Zustellerinnen und Zusteller der ZVH und ZVZ. Wobei bei der ZVZ auch noch Klagen anhängig sind, die für den Verlag noch sehr teuer werden können. Bleibt die Frage: Was hat die Süddeutsche Zeitung damit erreicht? Unendliche Kosten, frustrierte und um ihre berufliche Zukunft gebrachte Mitarbeiter, unendlichen Ärger mit Abonnenten samt Abbestellungen - und immer größere Probleme in der Zustellung. Bravo, souveränes Management! War es das wert?

Mit all dem Geld, was die Schließung der ZVH, der ZVZ und der Hin- und Herverlagerung der Abrechnung gekostet hat und noch kosten wird, hätten die MÜnchner Zusteller/innen auf Jahre hinaus ordentliche Löhne und das gute alte Weihnachtsgeld bekommen können.

Prämie, Weihnachtsgeld und das Stuttgarter Chaos -

Zu Weihnachten erlebte so mancher brave Zeitungszusteller in München eine wahre Freude. War ihm oder ihr doch gnädig von Chefs- bzw. Chefinnens-Gnaden eine "Prämie" wgen Reklamationsfreiheit gegönnt worden. Sie solle für diejenigen, die vertraglich keinen Anspruch auf ein Weihnachtsgeld haben, ein kleiner Ausgleich sein, hieß es dazu. Nun, in der Tat ein "kleiner Ausgleich", denn die "Prämie" war nicht annähernd in der Höhe, die das Weihnachtsgeld in den Altverträgen hatte. Aber in diesen harten Zeiten muss man sich bescheiden und auch für eine Schmalhans´sche Gabe dankbar sein.

Die Gabe hatte freilich einen Haken: sie fand sich nicht auf der Abrechnung. Böser Wille? Naja, da wollen sogar wir einmal sanftmütig sein. Es könnte tatsächlich sein, dass die Abrechnung der "Prämien" Opfer des Stuttgarter Chaos wurde. Dazu mehr in einem weiteren Blogbeitrag.

Anmerkung: Bereits im Vorjahr erhielten zahlreiche Kolleginnen und Kollegen kein Weihnachtsgeld mehr, die darauf aber einen Rechtsanspruch haben. In diesem Fall muss die unterbliebene Zahlung unbedingt schriftlich geltend gemacht werden!! (Hinweis: ver.di-Mitgliedere erhalten gfs. Rechtsschutz durch ihre Gewerkschaft!)

Mindestlohn 8,50 - die Realität sieht für meinen Zusteller ganz anders aus

Wenn ich dem taz-Bericht, dem Münchner & Bremer Blog sowie nach einem  netten Gespräch mit meinem Zeitungszusteller nur 75% Glauben schenke, finden ich diese Gutsherrenart von den Verlegern, deren Funktionären und dem dazu gehörigen Management beschämend. Dass trotz diesem niedrigen Lohnniveau sich noch Zeitungszusteller finden lassen gibt erheblich zu denken. Ein Stundenlohn von 3€ - 5€ darf keinen Platz in einem Land haben, das sich als sozial darstellt (Anmerkung der Redaktion: Und dies sogar in der Verfassung verankert hat: "Die Bundesrepublik ist ein demokratischer und sozialer Bundestaat." Artikel 20 Grundgesetz).

Bei einem wärmenden Kaffee habe ich mit meinem Zusteller einmal seinen Stundenlohn berechnet. Das Ergebnis: sein tatsächlicher Stundenlohn liegt bei maximal fünf Euro, oft aber auch darunter. Dabei hatte er in den "Lohn" auch Benzingeld und eine Pauschale für den Pkw-Verschleiß mit eingerechnet. Dabei sind das reine Aufwandsentschädigungen und kein "Lohn"! Der effektive Stundenlohn meines Zustellers ist deshalb deutlich unter fünf Euro.  

Wie ich den Blogbeiträgen entnehmen kann, behauptet die Süddeutsche Zeitung, sie würde allen Zeitungszustellern den gesetzlichen Mindestlohn garantieren. Diese Behauptung ist für meinen Zeitungszusteller völlig irrelevant! (Beitrag Woidler)

17.03.2014

Zum Thema Mindestlohn: Beitrag aus der Praxis

Vom Mindestlohn sind wir in München weit entfernt. Ausgehend von einer durchschnittlichen Arbeitsgeschwindigkeit, die ich als ununterbrochenes schnelles Gehen charakterisieren möchte, und unter Berücksichtigungung aller bei der Zeitungszustellung anfallenden Arbeiten, auch Tourenbuchführung, Verladen und Fahrten, habe ich zwei Monate lang genaue Zeitmessungen und Berechnungen durchgeführt. Dabei kam ich zu dem Ergebnis, dass ein durchschnittlicher Münchner Zusteller mit einem alten Arbeitsvertrag etwa 6 -7 € pro Stunde verdient. Bei Zustellern mit einem neuen Vertrag sind es 4 - 5 €, sofern die beabsichtigte Lohnsenkung um etwa 30% realisiert wurde. Inzwischen bin ich glücklicherweise "emeritiert", aber das Thema "Ausbeutung" beschäftigt mich immer noch. (Beitrag Dux Emeritus)