31.10.2013

Neuorganisation: Homeoffice statt Verteilstelle

Viele Zusteller holen ihre Zeitungen noch in einer Verteilstelle ab. Dort werden die Vorarbeiten erledigt, Änderungsmeldungen übergeben und Tourenbücher korrigiert. Doch wozu Verteilstellen (die kosten schließlich Miete und haben auch noch Lohnkosten zur Folge), wenn doch die Zusteller die bisherige Funktion der Verteilstelle einfach selbst übernehmen? Das heißt: Die Zeitungen werden irgendwo am Straßenrand abgeladen und die Änderungsmeldungen sowie die ganze Kommunikation wird über E-Mail abgewickelt. Das hat den Charme, dass Büro- und Organisationskosten einfach auf die Zusteller abgewälzt werden können. Zukunftsmusik? Mitnichten, das System wird ja schon  getestet. Volle Dienstleistung zum Sparpreis - das ist der Verlegertraum in Sachen Zustellung.

Dazu passt auch die Neugründung der ZV Service. Mit ihr lässt sich die Doppelfunktion der SZ Logistik als einerseits Auftraggeber und andererseits Dienstleister elegant auflösen. Die Logistik GmbH kann dann als reiner "Auftraggeber" völlig unbelastet schalten und walten; die Service GmbH kann sich stets die Hände in Unschuld waschen, denn sie arbeitet ja nur im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags mit den ZVen und hat mit der Logistik überhaupt nichts zu tun. Und die ZVen? Haben keine Betriebsmittel und keine eigene organisatorische Struktur mehr. Ganz prima Voraussetzungen, um Beschäftigte schnell, ganz billig und geräuschlos abservieren zu können.

Was natürlich eine üble Unterstellung ist. Weil der Firmenanwalt ja stets beteuert, dass die Schließung der ZVZ rein gar nichts mit dem Tarifkampf und dem regsamen Betriebsrat zu tun hat. Obwohl genau das der Geschäftsführer gegenüber dem Betriebsrat bestätigt hat. Aber das ist vermutlich einem Blackout geschuldet. Der Arme war einfach so überfordert von dem zähen Rettungskampf, dass er möglicherweise nicht mehr zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden konnte.

    

ZVZ - Berufungsverfahren LAG: Auf hoher See

Übernahme des Berichts von der Webseite https://medien-kunst-industrie-bayern.verdi.de/zusteller. Wir danken für die Genehmigung zum Abdruck.



Vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand. Tiefes Gottvertrauen könnte momentan für Zusteller ganz hilfreich sein. Denn die mündlichen Verhandlungstermine am 24.10. und 30.10. beim Landesarbeitsgericht München waren ein kleines Wechselbad. Beim ersten Termin waren die klagenden Kolleginnen und Kollegen eher erleichtert, beim zweiten Termin die Arbeitgeberseite. Wie es die beiden Kammern nun genau sehen, werden wir erst nach den Entscheidungsverkündungs-Terminen (EVT) Ende November wissen. Klar wurde im zweiten Termin nur, dass die Beklagtenseite nicht daran denkt, über ein seriöses Abfindungsangebot nachzudenken. Mit den EVTs wird auch erst klar, ob die Kammern die Berufung zum Bundesarbeitsgericht zulassen.
Für heute nur so viel: Ob ein Mantel nun dunkelgrau oder Anthrazit ist, darüber lässt sich trefflich diskuieren. Für das reale Leben ist das völlig belanglos. Im Arbeitsrecht schaut es leider ganz anders aus. Da können solche Nuancen über die berufliche und wirtschaftliche Zukunft entscheiden. Und darüber, ob Arbeitnehmer ihre Rechte überhaupt wahrnehmen können oder jederzeit und willkürlich abserviert werden können. Ohne Chance, sich rechtlich wehren zu können und damit ohne Chance auf wenigstens einen angemessenen sozialen Ausgleich. Wenn der Arbeitnehmerschutz kein Papierflieger sein soll, dann ist nicht der wohlfeile rechtsphilophische Diskurs das Maß der Dinge, sondern die Bewertung der konkreten Auswirkungen in der betrieblichen Realität.
Unabhängig davon gilt ohnehin: Nicht alles was legal ist, ist auch legitim. Im Glashaus eines großen süddeutschen Verlags scheint man aber der Meinung zu sein, dass der moralische Zeigefinger zwar deutlich erhoben werden muss - aber nur gaaanz weit ausserhalb des eigenen Hauses. 

29.10.2013

Ich steh in der Kält´n und wart.....

Im Zuge der Umstellung auf "Direktanlieferung" werden immer mehr Verteilstellen geschlossen. Dafür gibt es dann eine komfortable Direktanlieferung. Zum Beispiel am Straßenrand. Bleibt die Zeitung mal liegen (was wegen Personalmangel inzwischen immer öfter passiert), gibt es halt einfach Selbstbedienung.

Und wer in früher Morgenstunde durch die Stadt fährt, sieht auch immer wieder Kolleginnen und Kollegen am Straßenrand warten. Oft nicht einmal durch ein Vordach geschützt, sondern allein unter dem weiten Himmel. Besonders schön, wenn dann selbiger wieder einmal seine Schleusen öffnet.

Aber, liebe Leute, dafür gibt es dann einmal im Leben ein großes Fest im Glashaus. Da wird dann Lob aus dem Füllhorn geschüttet. Ein Herz erwärmender Ersatz für ein paar Cent mehr. Für Geld freilich arbeitet ja kein Zusteller und keine Zustellerin, sondern alleion für die sportliche Ertüchtigung und das Wissen darum, dass ohne die eigene Leistung die Blüten in den Redaktionsstuben vertrocknen.

Übrigens: Für das Fest hat unser geliebter Verlag ja wirklich keine Kosten gescheut. Da wurde sogar noch richtig Geld für Porto ausgegeben, um Zusteller anzuschreiben, die sich nicht angemeldet haben. Soviel Aufmerksamkeit, Donnerwetter!

Helden der Nacht

Was war da aber auch los im Glashaus! Ein rauschendes Fest, "diverse Vergnügungen" gar - und das in Zeiten, wo die Gesellschafter im Elend leben und dringend mehr Kohle brauchen. Aber den lieben Zustellerinnen und Zustellern ist der Süddeutschen Zeitung und ihren Stuttgartern Geldbeutelverwaltern halt nichts zu teuer. Und dann noch der Lobredner! Niemand anderes als die edelste der Edelfedern: Heribert Prantl, das liberale Gewissen der Redaktion. Er sparte nicht mit Lob. "Systemrelevant für den Journalismus" seien die Zusteller, und die ganzen Bemühungen der schreibenden Zunft seien nicht viel wert, wenn es die lieben Zustellerinnen und Zusteller nicht gäbe. Über so viel Lob freuen wir uns ganz aufrichtig.

Aber passt, lieber Heribert Prantl, im Nebenhaus, da wo die schöne Kantine ist, da liegen ein paar Leichen im Keller. Das wäre mal ´was für einen investigativen Journalisten! Betriebsschließungen, die einen strengen Geruch nach Willkür und dem Ausschalten von Betriebsräten haben; Dutzende von Kündigungen, ganz überwiegend langjährigen Zustellern, darunter z.B. ein Alleinverdiener mit vier unterhaltspflichtigen Kindern etc.pp.; Betriebsstrukturen, die jede vernünftige Arbeitnehmervertretung unmöglich machen und zunehmend auch dem Arbeitsgericht sauer aufstoßen; ein extrem fauliger Geruch nach Umgehung des § 623a BGB / Betriebsübergang....
 

"Die Schwächsten sind der Maßstab für die Gerichtigkeit"
 (Margot Käßmann)

28.10.2013

ZV Service gegründet

Da schaut der Mensch mal so im Registergericht vorbei - und was findet er dort? Einen neuen Eintrag unter der bewährten Federführung eines mäßig bekannten Verlagshauses im Münchner Osten. Eine ZV Service GmbH ist da eingetragen (HRB 205531). Geschäftszweck ist die "Übernahme und Erbringung von Verwaltungstätigkeiten für Logistikunternehmen oder sonstige Zustellunternehmen für Presseobjekte im Gebiet Stadt- und Landkreis München, insbesondere Verwaltungstätigkeiten wie Bewerbermanagement, Personaleinsatzplanung, Lohnabrechnung, Qualitätsmanagement, Geschäftsführung etc."

Nun darf jede/r einmal verschärft nachdenken, welcher Job da noch für die Geschäftsführer/innen der ZVen bleibt....

Aber natürlich ist kein Zahnkranz im Räderwerk nutzlos - und wenn man nur als Watschenbaum für Verfahren dient, die dem Verlag beim Arbeitsgericht um die Ohren fliegen....


  

22.10.2013

Zwei Verhandlungstermine beim LAG München!

Die Klagen, die von gekündigten Zusteller/innen der ZVZ beim Landesarbeitsgericht München (LAG) anhängig sind, werden nun doch von zwei Kammern behandelt.

Die Kolleginnen und Kollegen, derren Klage vom Arbeitsgericht München stattgegeben wurde, haben Verhandlungstermin am Donnerstag, 24.10.2013, 11.15 Uhr.


Die Kolleginnen und Kollegen, deren Klagen in erster Instanz abgewiesen wurden, haben Verhandlungstermin am Mittwoch, 30.10.2013, 14 Uhr.

Das Landesarbeitsgericht München ist in der Winzererstraße 104. (U-Bahn Hohenzollernplatz, Ausgang Herzogstraße, Beschilderung im U-Bahnhof. Gehweg ca. 7 Minuten). 

Die Verhandlungen sind öffentlich. Raum ist an der Gerichtstafel im Eingangsbereich angegeben.

Eines kann schon versprochen werden: es wird spannend. Zwei Kammern des Arbeitsgerichts München (1. Instanz) waren zu unterschiedlichen Urteilen gekommen: Bei einer Kammer wurden die Klagen abgewiesen, bei einer anderen Kammer wurde den Klagen stattgegeben. Das Urteil dazu ist im Post "Schriftliche Urteilsbegründung" in Grundzügen dargestellt.

Die LAG-Entscheidung - wie auch immer sie ausgeht - wird gravierende Folgen für die Beschäftigungsverhältnisse in der Münchner Zeitungszustellung haben. Denn entweder enthält das bestehende "System" die Absolution (und die Klagen werden abgewiesen) - dann ist der Willkür und Ausbeutung weiterhin Tür und Tor geöffnet. Oder den Klagen wird stattgegeben. Dann ... möchten wir erst mal nur Mäuschen im Hochhaus sein ....