16.09.2013

Der gesetzliche Mindestlohn wird kommen

Der gesetzliche Mindestlohn wird wohl bekommen. Zumindest haben das ausser der FDP alle im Bundestag vertretenen Parteien versprochen. Der würde dann auch für die Zeitungszustellung gelten. (Was nach Verlegermeinung der Untergang des freien Verlegertums wäre. Mal sehen, wer dann wieder einknickt...) Für diesen Fall werden bereits seit geraumer Zeit hypothetische Arbeitszeiten für die Touren hinterlegt.

Wie das geschieht, haben wir unter dem Stichwort "Sabris" bereits beschrieben. Der "Elchtest" hatte ergeben, dass völlig illusorische Zustellmengen pro Stunde hinterlegt sind. Wenn also z.B. 80 Zeitungen als Zustellmenge pro Stunde angegeben sind, aber realistisch nur 40 zu schaffen sind, wird aus einem Stundenlohn von - sagen wir mal - 8,50 in der Realität ein Stundenlohn von 4,25.

Es wird also enorm wichtig, dass die hinterlegten Stückzahlen pro Stunde genau mit der Realität abgeglichen werden! Eine Aufgabe, die vom Gesetz den Betriebsräten zugewiesen wird. Wer die immer noch für unnötig hält, braucht sich nicht darüber zu wundern, dass sein Lohn immer weniger wird.

Die Deutsche Post errechnet den Stundenlohn übrigens auf gleiche Weise mit einem System namens IBIS. Ein Leserbrief-Schreiber hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass es auch dort massive Probleme zu Ungunsten der Zusteller gibt. Das gilt insbesondere für die sog. Verbundzusteller. Auch dort wird nach der Information von illusorischen Zustellmengen pro Stunde ausgegangen. Neubauten würden z.B. gar nicht in den Zeiten berücksichtigt werden. Die Folge davon ist jede Menge unbezahlter Arbeit. "Ich würde die Typen, die das am Grünen Tisch programmieren, gerne mal 14 Tage auf meiner Tour arbeitenn lassen!" so sein Fazit. Wir werden versuchen, ein Interview mit Post-Betriebsräten zu führen um mehr darüber zu erfahren, wie sie mit dem Problem umgehen.

04.09.2013

Von Verteilstellenleitern und Aussendienstlern

In verschiedenen ZVen herrscht fröhliches Kommen und Gehen an selbst ernannten oder sich so fühlenden "Führungskräften". Dabei geht es so fröhlich zu, dass manche sich plötzlich vor der Tür vorfinden, obwohl sie doch immer ihrem Herrn mit dem Palmwedel zufächerten. Und dafür andere auftauchen, die zuweilen gar nicht mehr wissen, welchem Herrn sie dienen.

Abgängig sind inzwischen einige Verteilstellenleiter. Obwohl sie sich doch immer beflissen das Fähnchen im Winde trugen und das Wohl des Betriebs im Blick hatten. Sie haben nur den guten Schiller nicht gründlich genug gelesen: "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen". Vor allem dann, wenn der Blick auf das Wohl zuweilen etwas abschweifte.

Freilich ist in diesen Zeiten immer ungewiss, ob ewas Besseres nachkommt. So berichten Kolleginnen und Kollegen von Begegnungen der dritten Art. Etwa mit dunklen Gestalten, die zu nächtlicher Stunde in den Weg springen und verkünden, dass sie nun die neuen Ansprechpartner sind. Rückfragen freilich, in welcher Funktion, in welchem Auftrag und mit welcher Befugnis sie unterwegs sind, können zu völliger Konfusion bei den so Angesprochenen führen. Aber immerhin, die eigene Büroanschrift ist den dunklen Gestalten bekannt: Hultschiner Straße.

Was sich in dem Durcheinander andeutet, ist die schon lange geplante Neuordnung der Zustellung in München. Ablagestellen statt Verteilstellen, das Wiederaufleben einer Art Vertriebsinspektoren (nur mit klangvollerem Titel) und die Zusammenführung auf vier GmbHs (bzw. vier Vertriebsgebiete) analog der Münchner SZ-Ausgaben.

Das Ziel hätte man mit Vernunft und Anstand schon längst erreichen können.


ZVZ: Die Zeit vergeht, der Betriebsrat besteht

ZVZ - war da ´was? So mag mancher im Glashaus denken. Oh ja, das war nicht nur etwas, da ist noch etwas. Denn die Zeit vergeht zwar, der Betriebsrat besteht aber weiter. Weil es noch genügend zu tun gibt. So harren zum Beispiel nach wie vor die Sozialplanverhandlungen des weiteren Fortgangs. Die stocken seit Monaten, weil der Verlag sich sehr verstockt zeigt. Wie schon mehrfach berichtet, gedenkt man dort, die willkürlich entlassenen ZustellerInnen der ZVZ GmbH mit einem Trinkgeld abspeisen zu können. So läuft das aber nicht, meinen jedenfalls all die entlassenen Kolleginnen und Kollegen, die den Rechtsschutz von ver.di genießen und deren Verfahren jetzt beim Landesarbeitsgericht München anhängig sind.

Das LAG hat die Verhandlungen für Oktober terminiert. Wir werden in den nächsten Tagen den genauen Termin an dieser Stelle veröffentlichen.

Wer wissen will, wieso ein Betriebsrat noch amtiert, dessen Betrieb es gar nicht mehr gibt: Ganz einfach, der Betriebsrat bleibt so lange im Amt, bis die vorgeschriebenen Verfahren - insbesondere die Sozialplanverhandlungen - endgültig abgeschlossen sind.
Zum Leidwesen des Verlags sind auch noch alle Betriebsratsmitglieder verfügbar. Und weil die frühere Geschäftsstelle der ZVZ GmbH in der Sonnenstraße 25 inzwischen weitgehend ausgeräumt ist und still vor sich hin schimmelt, muss extra ein Konferenzraum für die Sitzungen angemietet werden...

Absurdistan liegt halt nicht hinter dem Horizont, sondern ist schon in Steinhausen zu finden.

03.05.2013

Schriftliche Urteilsbegründung zum Betriebsübergang ZVZ / ZMC



Das fröhliche Gründen, Fusionieren, Schließen und Verkaufen von "Gesellschaften mit beschränkter Haftung" gilt heute in vielen Betrieben als Beleg für kreative Geschäftsführung. Lassen sich damit doch ganz prima Haftungsrisiken minimieren, Gewinne verschieben und Personalkosten "optimieren". Zudem verlieren Arbeitnehmer ganz schnell ihre Schutzrechte: Kündigungen werden einfacher, Sozialpläne bleiben auf der Strecke, Einkommen und andere Vertragsbedingungen können ohne große Hindernisse eingedampft werden.

Lästig sind dabei nur noch die Schutzbestimmungen des § 613a BGB zum Betriebsübergang. Denn dabei werden die bestehenden Vertragskonditionen (Gehalt, Urlaub, Arbietszeit etc.) geschützt - und zudem darf im Zusammenhang mit dem Übergang nicht gekündigt werden.Damit das schöne GmbH-Mikado durch den § 613a BGB nicht allzu stark beeinträchtigt wird, sind Heerscharen von Arbeitgeber-Anwälten damit beschäftigt, Schlupflöcher für die Umgehung des "613a" zu finden. Dabei sind sie oft erfolgreich.   

Zur Klärung des (häufigen) Steitfalls, ob ein Betriebsübergang vorliegt oder nicht , hat die Rechtssprechung diverse Kriterien aufgestellt. Die sind bei isolierter Betrachtung in der Tendenz nicht gerade "arbeitnehmerfreundlich". (Schließlich ist ja auch das freie Unternehmertum geschützt).  Anders gesagt: die Schlupflöcher sind schon eher Scheunentore. Ganz in diesem Sinne hat denn auch die Süddeutsche Zeitung die Zustellung in München organisiert.

Doch das half ihr jetzt nichts. Denn die Kammer 1 beim Arbeitsgericht München stellt unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2001/23 EG fest, dass es nicht auf die isolierte Betrachtung einzelner Kriterien ankommt, sondern stets eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist.

Und unter dieser Maßgabe fand die Kammer 1 eine ganze Reihe von Kriterien, die den Betriebsübergang belegen:

a) Der Betriebszweck ist gleich geblieben. Dieser ist die Zustellung bestimmter Tageszeitungen in einem abgegrenzten räumlichen Bereich an die Hausadresse und die jeweilige private Empfangseinrichtung (Briefkasten, Rolle, Wohnungstür) der Abonneten durch eigene Zusteller.

b) Die ausgeführten Tätigkeiten sind vor und nach dem Betriebsübergang praktisch identisch.

c) Es kam zu keiner Unterbrechung der Tätigkeit. Vielmehr erfolgte die unmittelbare Nachfolge der Zustellung durch die ZVC.

d) Die Kundschaft ist gleich geblieben. (Für die Münchner Zustellgesellschaft ist nicht der Abonnent die Kundschaft, sondern die SZ Logistik GmbH!)

e) Die maßgeblichen Betriebsmittel sind übergegangen. Im Rahmen der Organisation der Münchner Zeitungszustellung sind die Haustürschlüssel maßgebliches Betriebsmittel!

f) Die Übernahme der Touren durch die ZVC erfolgte durch Rechtsgeschäft.

Einige interessante Erläuterungen dazu:

Die Organisationsänderung nach Übernahme durch die ZVC (Aufgabe der Verteilstellen und Direktanlieferung an Ablagen, Routenänderung bei den Touren) sind im vorliegenden Fall unbedeutend. Sie dokumentiert nur die Organisationshoheit der SZ Logistik GmbH innerhalb der Dienstleistungskette. Sie ändert auch nichts am Betriebszweck.

Die Haustürschlüssel sind nicht am "freien Markt" erhältlich. Ihr Einsatz ist unverzichtbar für die ordnungsgemäße Auftragserfüllung. Sie sind damit prägend und maßgebliches Betriebsmittel. Es ist nicht erheblich, ob die Schlüssel im Besitz der ZV oder der SZ Logistik sind.

Im vorliegenden Fall ist hinsichtlich der Auftragsnachfolge (die nicht zwingend ein Betriebsübergang sein muss) zu berücksichtigen, dass die SZ Logistik GmbH in München eine Monopolstellung einnimmt und die Auftragsvergabe innerhalb des SV Konzerns steuern kann. Die Neuvergabe ist nicht Folge des freien Wettbewerbs, vielmehr wird durch Fakten belegt, dass von Anfang an die unveränderte Übertragung der wirtschaftlichen Einheit geplant war.

Es darf vermutet werden, dass die Beklagtensseite in Revision gehen wird. Geld spielt bekanntlich keine Rolle, wenn die Rechtssprechung nicht passt. Wir dürfen uns dennoch erst einmal freuen, dass sich die Kammer 1 beim Arbeitsgericht München die Mühe gemacht hat, die ganze Organisations- und Gesellschafterstruktur sehr genau anzuschauen und im Hinblick auf die Schutzwirkung, die der § 613a für die Arbeitnehmer entfalten soll, zu werten.  -> Für unsere Leser/innen ausserhalb Münchens ist zu beachten, dass sich das Urteil auf die spezifischen "Münchner Verhältnisse" stützt und nicht ohne Weiteres auf andere Zustellbetriebe übertragbar ist. 

29.04.2013

Betriebsübergang anerkannt!

Liebe Freunde, ihr merkt ja, dass wir momentan nicht mehr regelmäßig zum Schreiben kommen. Wir müssen uns ja irgendwie um unseren Lebensunterhalt kümmern. Weil wir ja so schlechte Zusteller waren, dass uns die SZ bzw. ihre Handlanger gekündigt haben. Wobei wir ja im Verhandlungstermin von Vertretern der Verlagsseite hören konnten, dass unser abrupter Rauswurf doch zu ziemlichen Verwerfungen in der Zustellung geführt hat. Und irgendwie die ganze Aktion wohl doch nicht so ein Geniestreich war, wie sich das vielleicht der eine oder andere im Hochhaus oder im Schwabenland so vorgestellt hat.

In der mündlichen Verhandlung war ja schon zu erkennen, dass der Vorsitzende Richter sich sehr gründlich die Umstände der Schließung der ZVZ und unserer Kündigungen angeschaut hat. Und ihm einige Antworten der Arbeitgeberseite, die sie auf den Fragenkatalogen unseres Anwalts (gestellt übrigens vom DGB-Rechtsschutz) abgegeben hatte, nicht sonderlich überzeugt haben. Die Urteilsverkündung bestätigte dann die herbe Niederlage für den Verlag!


Das dürfte im Hochhaus für Betriebsamkeit sorgen. Auch wenn das "nur" die erste Instanz war, so ist doch zum ersten Mal die bisherige Strategie des SV von den ach so selbstständigen ZVen gescheitert. Das Urteil dürfte weit über den SV hinaus für Aufmerksamkeit sorgen, denn das böse Spiel wird auch woanders gerne gespielt.

Es ist ein böses und ein perverses Spiel auf dem Rücken von Beschäftigten. Die werden durch dieses "Modell" von sich unabhängig gebenden, aber tatsächlich völlig abhängigen Unter- und Nebengesellschaften nämlich völlig rechtlos. Jede GmbH ist bei Bedarf nullkommanix in der Insolvenz. Masse hat sie nicht - und damit bleibt nichts für Abfindungen bzw. einen Sozialplan. Wird ja alles bei der ZVZ in schönster Reinheit vorgeführt.  

Also, freuen wir uns erst einmal über ein Urteil, das dem Verlag gar nicht Recht sein kann. Deshalb wird er wohl auch das Landesarbeitsgericht anrufen. Zuvor muss aber noch die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden. Nun denn, wir schon das erste Jahr bei Gericht hinter uns, da schaffen wir auch noch das zweite Jahr...

07.03.2013

Zweiter Kammertermin. Kein guter Tag für die SZ

Der Sonnenschein fiel milde in den Verhandlungssaal. Das war schön nach den vielen trüben Tagen. Noch viel schöner war freilich, was der Vorsitzende Richter der Kammer 1 beim Arbeitsgericht München erläuterte. Dass nämlich die Kammer dazu neige, im vorliegenden Fall von einem Betriebsübergang auszugehen. Als Termin für die Entscheidungsverkündung wurde der 20.3. festgelegt. Damit bleibt noch ein bisschen Spannung; der Erörterungsverlauf lässt aber keinen Zweifel daran, dass den Klagen stattgegeben wird.

Die Klagen der gekündigten Kolleginnen und Kollegen wurden vor insgesamt drei Kammern des Arbeitsgerichts München verhandelt. Zwei Kammern wiesen die Klagen ab. (Siehe Bericht dazu. ver.di hat den betroffenen Kolleginnen und Kollegen inzwischen Rechtsschutz für die zweite Instanz - Landesarbeitsgericht Bayern - erteilt). Die Erörterung vor der Kammer 1 lässt hoffen, dass den dort anhängigen Klagen stattgeben wird. Es wurde deutlich, dass sich die Kammer die besonderen Umstände des Falls gründlich angeschaut hat. Das zeigte sich bereits im ersten Termin. Aufgrund der Erörterung zu den diffizilen Rechtsfragen hatte die Kammer eine weitere Schriftsatzfrist eingeräumt und den zweiten Verhandlungstermin angesetzt.

Der Beklagtenseite (ZV Zentrum GmbH hinsichtlich der Kündigung und ZV München City GmbH hinsichtlich des Betriebsübergangs) konnte das gar nicht gefallen. Wortreich verwies ihr Anwalt auf diverse Einzelentscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sowie des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Der Vorsitzende Richter legte geduldig dar, dass in den zitierten Fällen jeweils einzelne Gesichtspunkte behandelt wurden, jedoch ausdrücklich immer eine wertende Betrachtung der Gesamtumstände gefordert sei.

Der Vorsitzende Richter regte noch einmal an, über eine einvernehmliche Lösung nachzudenken, statt Rechtsgeschichte zu schreiben. Die Chancen dafür sind freilich nahezu Null. Auch die Sozialplan-Verhandlungen kommen ja nicht voran, weil auch ein Jahr nach Schließung von der Arbeitgeberseite immer noch kein quantifiziertes und qualifiziertes Angebot vorliegt.  

Warten wir also froher Hoffnung ab, was am 20. März verkündet wird!

Aufgearbeitet für die Zustellung - und vergessen

Eine Klägerin der ZVZ hat es besonders hart getroffen. Sie hatte schon lange Probleme beim Gehen, war vom Verteilstellenleiter aber immer wieder aufgefordert worden, zur Arbeit zu kommen. Und sie folgte dem immer wieder; das Pflichtgefühl war stärker als die Sorge um die Gesundheit. Der besondere Dank: auch sie wurde gekündigt und mit den gesundheitlichen Folgen alleine gelassen. Sie hat inzwischen sechs Monate im Krankenhaus verbracht und musste sich mehrfach Operationen unterziehen. Sie kann nicht mehr alleine gehen und ist auf Hilfe angewiesen.

Einsam auf dem Feldherrenhügel

Das läuft schon ziemlich dumm, wenn der Feldherr auf seinem Hügel steht - und keine Truppen mehr da sind. Wo sind sie geblieben? Vielleicht liegt´s ja daran, dass der Feldherr goldene Rüstungen verspricht, die sich als rostige Bleche erweisen. Oder weil er glaubt, dass es schon genügend arme Hunde gibt, die für einen abgefieselten Knochen am Tag brav in die Zustellschlacht ziehen. Scheint nicht zu funktionieren, wie uns jetzt mehrere Verteilstellenleiter gesteckt haben. Wir haben mal die Zahlen addiert: Die Verteilstellen betreuen insgesamt 390 Touren. Davon sind derzeit 170 offen! Prima Sparprogramm, verehrte SZ Logistik und verehrte Gesellschafter: Erfahrene Zusteller ´raushauen, Zustellvergütungen drastisch kürzen - und der Abonnent kriegt halt mal Gutscheine oder eine Abogutschrift, wenn er mal hartnäckig reklamiert. Kostet ja nix. Die Aboentwicklung scheint aber bei den Feldherren niemand zu kratzen. Ausserdem sind sie ja nicht schuld an dem Niedergang, sondern die depperten Zusteller.